Chienbäse

Feuer ist ein elementarer Bestandteil vieler Riten und Bräuche. Kaum ein Element hat das menschliche Leben so sehr geprägt wie das Feuer. Deshalb ist die bunte Fülle der Volksbräuche, die sich auf das Feuer beziehen, so umfassend und prägend. Auch der moderne Mensch kann sich der Faszination Feuer in all ihren Erscheinungsformen kaum entziehen.

Der Chienbäse-Umzug am Abend des Fasnachtssonntags ist sicher einmalig und ein unbestrittener Höhepunkt unserer Region. Blenden wir etwas zurück. So schrieb Theo Strübin in der Broschüre „Liestal“ vom Verkehrs- und Verschönerungsverein folgendes: „Aus einer uralten Kulthandlung zur endgültigen Vertreibung des Winters stammt der malerische Fackelzug am Sonntagabend. Mit dem Verbrennen eines grossen Holzstosses (Wällemaa genannt) auf dem Burghügel wird die Macht des Winters gebrochen und mit den leuchtenden Fackeln und lodernden Chienbäsen wird die wärmende Kraft der Sonne vom Höhenfeuer ins dunkle Tal hinuntergetragen. Es bildet sich ein imposantes und urwüchsiges Schauspiel, wenn sich der Umzug durch das verdunkelte Städtchen bewegt.“

Der Zug mit Chienbäse und Pechfackeln durch die Altstadt wurde erstmals im Jahre 1902 bewilligt. Im Jahre 1920 waren alle Fasnachtsveranstaltungen wegen einer Grippe-Epidemie durch den Regierungsrat verboten. Einzig der Fackel- und Laternenumzug fand statt.

Als Vater des Chienbäseumzugs in der heutigen Form darf Eugen Stutz, Konditormeister, Jahrgang 1904 aus der Kanonengasse bezeichnet werden. Im Volksmund wurde er “Stutze-Geni“ genannt. Weil die Bäcker für das Beheizen ihrer Öfen damals fast ausschliesslich Föhrenholz verwendeten und eben das “Chien“, das speziell harzreiche Holz bevorzugten, glaubt man, dass ein Bäcker auf die Idee kam, einen Chienbäse herzustellen.

Eugen Stutz hatte nach dem 1. Weltkrieg zusammen mit einigen Bezirksschülern Chienbäse hergestellt und getragen. Die Wende zum heutigen Spektakel lässt sich auf das Jahr genau feststellen. Als Eugen Stutz aus der Fremde nach Liestal zurückkam, stellte er auf die Fasnacht im Jahre 1924 zusammen mit seinen Kollegen des Turnvereins wieder die “alten “Chienbäse her.

Der 2. Weltkrieg unterbrach das Fasnachtstreiben jäh; aber dann, im Jahre 1946, ging es wieder richtig los. Die Herstellung der Chienbäse beruht auf der Überlieferung früherer Generationen. Es ist eine Kunst, den Bäse fachgerecht zu „machen“, damit er gut aussieht und seinen Höhepunkt (Vollbrand) mitten in der Altstadt hat. Das Holz wird von der Bürgergemeinde gratis zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2004 wurden für die Herstellung von 300 Chienbäse rund 30 Ster Holz und die entsprechende Anzahl Stangen verwendet. Für die Feuerwagen kamen nochmals ungefähr 45 Ster Holz dazu.

Den Höhepunkt des Chienbäseumzuges bilden zweifelsohne die Feuerwagen. Diese berühmtberüchtigten Feuerspeier sind einer übermütigen, spontanen Idee entsprungen. Anfangs der dreissiger Jahre füllten einige Burschen gegen den Willen des Leiters einen Eisenkessel mit Holz, stellten ihn auf eine eiserne Karre und zündeten das Holz an. Mit diesem improvisierten Feuerwagen rannten sie durch die Reihen der Zuschauer. Im Jahre 1946 verzeichnete der Umzug eine Rekordbeteiligung. Viel bewundert wurden die gefürchteten Feuerwagen. Wegen der Brandgefahr entschloss sich aber der Gemeinderat im Jahre 1948 zu einem Verbot dieser Vehikel.

Die Feuerwagen blieben also wie erwähnt verboten. Als am Eidgenössischen Trachtenfest von 1961 in Basel die Liestaler am nächtlichen Licht- und Feuerumzug mit Chienbäsen erschienen, konnten sie es nicht unterlassen, auch die zu Hause verbotenen Feuerwagen vorzuführen. Durch den Erfolg an diesem Umzug wurde dann das Verbot in Liestal wieder aufgehoben.

Der Liestaler Chienbäse-Umzug ist auch zu einem gefragten “Exportartikel“ geworden. Er wird jedoch nur ganz vereinzelt und gezielt eingesetzt. So zum Beispiel im Jahre 1964 an der Expo in Lausanne, 1974 am Eidgenössischen Trachtenfest in Zürich, 1982 an der Olma in St. Gallen‚ 1991 am Tag des Brauchtums in Brunnen und 1991 als Abschluss der 700-Jahr-Feier in Genf.